Am 27. September 2019 haben wir gemeinsam mit Studierenden des Master-Studiengangs „Soziale Arbeit - psychosoziale Beratung und Gesundheitsförderung“ einen Workshop im Rahmen der European Researchers‘ Night Heidelberg | Mannheim ausgerichtet.
In unserem Workshop mit dem Titel „Bilder im Kopf - Prävention als Maßstab der Forschung zu sexualisierter Gewalt“ haben wir am Beispiel unseres Forschungsprojektes aufgezeigt, wie Forschung im Gewaltkontext und deren Ergebnisdarstellung präventiven Standards angepasst werden können.
In unserem Workshop mit dem Titel „Bilder im Kopf - Prävention als Maßstab der Forschung zu sexualisierter Gewalt“ haben wir am Beispiel unseres Forschungsprojektes aufgezeigt, wie Forschung im Gewaltkontext und deren Ergebnisdarstellung präventiven Standards angepasst werden können.
Um für ein dahingehendes Bewusstsein zu sensibilisieren, erfolgte der Einstieg über ‚Bilder im Kopf‘. Damit meinen wir alltägliche, gemeinhin verbreitete Vorstellungen über sexualisierte Gewalt respektive Vorstellungen von Täter*innen und Betroffenen. Um die Teilnehmenden an ihre persönlichen sowie ihnen bekannte ‚Bilder im Kopf‘ heranzuführen, haben wir eine Fotoausstellung vorbereitet. Diese Fotoausstellung bestand aus facettenreichen Abbildungen, die Assoziationen zu sexualisierter Gewalt, Betroffenen und Täter*innen erlauben.
Im Zuge der Reflexion mit den Teilnehmenden diskutierten und erläuterten wir kritisch die folgenden – bewusst provokativen – Thesen, die uns während unserer Forschungsarbeit an unterschiedlichen Stellen begegneten:
„Kinder werden im Internet auch wegen der Risiken missbraucht, die sie selbst eingehen.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Wenn Kinder nicht im Internet wären, könnte ihnen dort auch keine Gewalt widerfahren. Heißt das, dass sie eine Verantwortung an der Gewalt tragen? Jein. Trage ich eine Verantwortung für ein Risiko, das ich nicht kenne? Und sind damit die schuldigsten Kinder diejenigen, die in der Schule und von ihren Eltern aufgeklärt wurden?
Komischerweise kehrt sich die Fokussierung auf Täter*innen, in dem Moment um, in dem wir über die Verantwortung für die Gewalt sprechen. Dann geht es oft um das, was Betroffene hätten anders machen können und sollen. Selbstverständlich ist es wichtig mit Kindern und Jugendlichen über ihr Nutzungsverhalten, was ihnen gut tut und was nicht im Austausch zu sein. Aber klar sein muss: Die Verantwortung für die Gewalt trägt die Gewaltausübende Person.
„90% der Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch sind weiblich und nach den Taten ein Leben lang gestört.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Es wird öfter über Gewalt gegen Mädchen und Frauen gesprochen und dass diese zu Sex-Objekten degradiert werden. Sind sie so viel öfter von Gewalt betroffen? Wir müssen davon ausgehen. Aber bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nicht in dem Ausmaß, wie es manchmal scheint. Die meisten neueren Studien gehen von 2/3 weiblichen und 1/3 männlichen minderjährigen Opfern aus. Es ist ziemlich schwer zu erklären warum die Verteilung so sein könnte. Das hat mit gesellschaftlichen Machtstrukturen zu tun. Jungs werden als Opfer aber ganz oft übersehen, weil ein Mann kein Opfer sein darf.
Ich würde nicht sagen, dass Gewaltbetroffene ein Leben lang gestört sind. Das hört sich kaputt an und ist beleidigend für Betroffene. Je nachdem, wie lange und durch wen die Gewalt stattgefunden hat, wie massiv die Gewalt war und abhängig davon, ob einem Kind geholfen werden konnte oder nicht, können auch Folgebelastungen sehr unterschiedlich ausfallen. Ich habe in der Beratung aber Kinder erlebt, die nachdem die Gewalt unterbunden und ihnen geglaubt wurde, keine besonderen Belastungen gezeigt haben.
„Die Gefahr Übergriffe im eigenen Kinderzimmer zu erleben ist größer als in dunklen Parks.“
Stellungnahme HUMAN-Team: Denken wir an sexuellen Kindesmissbrauch, denken wir an dunkle Parks, abgelegene Straßen etc. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Irrglauben. Leider stimmt es. Die Gefahr, Übergriffe im eigenen Kinderzimmer zu erleben, ist größer. Die meisten Täterinnen und Täter kommen aus dem persönlichen Umfeld der Kinder. Sexueller Kindesmissbrauch innerhalb der Familie ist keine Seltenheit. Die Familie stellt sogar die größte Tätergruppe dar, gefolgt von weiteren Personen aus dem nahen Umfeld wie Freunde, Lehrer, im Sportverein. Verhältnismäßig selten handelt es sich bei den Tätern um Fremde. Aber selbst diese Täter sind dann meist für die Kinder insofern nicht fremd, als Täter vor dem ersten Missbrauch Kontakt zu den Kindern herstellen, Vertrauen aufbauen und eine freundschaftsähnliche Beziehung versuchen aufzubauen. Heutzutage wird hierzu auch auf digitale Medien zurückgegriffen. Da digitale Medien heutzutage zum Alltag von Kindern gehören, ist das Risiko für Übergriffe im eigenen Kinderzimmer sogar nochmal höher.
„Kinder werden im Internet auch wegen der Risiken missbraucht, die sie selbst eingehen.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Wenn Kinder nicht im Internet wären, könnte ihnen dort auch keine Gewalt widerfahren. Heißt das, dass sie eine Verantwortung an der Gewalt tragen? Jein. Trage ich eine Verantwortung für ein Risiko, das ich nicht kenne? Und sind damit die schuldigsten Kinder diejenigen, die in der Schule und von ihren Eltern aufgeklärt wurden?
Komischerweise kehrt sich die Fokussierung auf Täter*innen, in dem Moment um, in dem wir über die Verantwortung für die Gewalt sprechen. Dann geht es oft um das, was Betroffene hätten anders machen können und sollen. Selbstverständlich ist es wichtig mit Kindern und Jugendlichen über ihr Nutzungsverhalten, was ihnen gut tut und was nicht im Austausch zu sein. Aber klar sein muss: Die Verantwortung für die Gewalt trägt die Gewaltausübende Person.
„90% der Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch sind weiblich und nach den Taten ein Leben lang gestört.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Es wird öfter über Gewalt gegen Mädchen und Frauen gesprochen und dass diese zu Sex-Objekten degradiert werden. Sind sie so viel öfter von Gewalt betroffen? Wir müssen davon ausgehen. Aber bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche nicht in dem Ausmaß, wie es manchmal scheint. Die meisten neueren Studien gehen von 2/3 weiblichen und 1/3 männlichen minderjährigen Opfern aus. Es ist ziemlich schwer zu erklären warum die Verteilung so sein könnte. Das hat mit gesellschaftlichen Machtstrukturen zu tun. Jungs werden als Opfer aber ganz oft übersehen, weil ein Mann kein Opfer sein darf.
Ich würde nicht sagen, dass Gewaltbetroffene ein Leben lang gestört sind. Das hört sich kaputt an und ist beleidigend für Betroffene. Je nachdem, wie lange und durch wen die Gewalt stattgefunden hat, wie massiv die Gewalt war und abhängig davon, ob einem Kind geholfen werden konnte oder nicht, können auch Folgebelastungen sehr unterschiedlich ausfallen. Ich habe in der Beratung aber Kinder erlebt, die nachdem die Gewalt unterbunden und ihnen geglaubt wurde, keine besonderen Belastungen gezeigt haben.
„Die Gefahr Übergriffe im eigenen Kinderzimmer zu erleben ist größer als in dunklen Parks.“
Stellungnahme HUMAN-Team: Denken wir an sexuellen Kindesmissbrauch, denken wir an dunkle Parks, abgelegene Straßen etc. Tatsächlich handelt es sich aber um einen Irrglauben. Leider stimmt es. Die Gefahr, Übergriffe im eigenen Kinderzimmer zu erleben, ist größer. Die meisten Täterinnen und Täter kommen aus dem persönlichen Umfeld der Kinder. Sexueller Kindesmissbrauch innerhalb der Familie ist keine Seltenheit. Die Familie stellt sogar die größte Tätergruppe dar, gefolgt von weiteren Personen aus dem nahen Umfeld wie Freunde, Lehrer, im Sportverein. Verhältnismäßig selten handelt es sich bei den Tätern um Fremde. Aber selbst diese Täter sind dann meist für die Kinder insofern nicht fremd, als Täter vor dem ersten Missbrauch Kontakt zu den Kindern herstellen, Vertrauen aufbauen und eine freundschaftsähnliche Beziehung versuchen aufzubauen. Heutzutage wird hierzu auch auf digitale Medien zurückgegriffen. Da digitale Medien heutzutage zum Alltag von Kindern gehören, ist das Risiko für Übergriffe im eigenen Kinderzimmer sogar nochmal höher.
„Die Allgegenwart von Sex in Medien und Internet trägt zu sexualisierter Gewalt bei.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Sex wird in Fernsehen, Zeitungen und Internet propagiert. Da könnte man auf die Idee kommen, dass sich manche Menschen angestachelt fühlen, sich zu „nehmen, was sie wollen“. Ganz so einfach ist es aber nicht. Man geht zum Beispiel davon aus, dass der Konsum von Pornografie nicht automatisch sexuell aggressiv macht. Menschen, die sexuell gewalttätig sind, sind jedoch meist auch anderweitig gewalttätig und konsumieren harte Pornografie. Daraus leiten Forscher ab, dass gewalttätige Menschen, die Pornografie konsumieren ihre Gewalt eher sexualisieren.
Problematisch ist auch, dass die Allgegenwart von Sex in Werbung usw. zu einem sexuell aufgeladenen gesellschaftlichen Klima beiträgt. Das kommt Kindern und Jugendlichen also bekannt vor. Da können Täter*innen anknüpfen, ohne, dass das Kindern und Jugendlichen besonders auffällt.
„Es wird verhältnismäßig häufiger gegen schwarze Männer ermittelt als gegen weiße Männer.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Ja. Sehr oft stecken allerdings diskriminierende Motive hinter Verdächtigungen von schwarzen Männern. Bei der Suche nach Täter*innen wird oft der Stereotyp des Mannes und des Fremden zuerst bedient. In den USA füllen diese rassistischen Vorurteile ganze Gefängniskomplexe. Die Fixierung auf Täter und ihre Motive lenkt allerdings oft vom Leiden der Opfer dieser Gewalttaten ab, dennoch werden auch durch viele Falschverdächtigungen (sowie die mediale Ausschlachtung dieser) Leben zerstört. Durch eine stärkere Medienpräsenz werden die gesamten Leben der (falsch) Verdächtigen auseinandergenommen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
„Wer Kinder sexuell missbraucht ist pädophil und krank.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Für viele von uns erscheint es unvorstellbar und wenig nachvollziehbar, wie jemand dazu in der Lage sein kann, ein Kind sexuell zu missbrauchen. Auch in den Medien stolpern wir sehr oft über solche Schlagzeilen. Daher ist es erst mal nachvollziehbar, dass wir Täter*innen als pädophil und krank bezeichnen. Allerdings sind tatsächlich nur wenige Täter*innen, die Kinder sexuell missbrauchen, pädophil. Es ist erwiesen, dass nicht jeder Erwachsene, der sexuellen Kontakt mit Kindern hat, automatisch auch pädophil ist. Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass nicht alle Männer und Frauen, die pädophil sind, ein Kind sexuell missbrauchen (werden). Sexueller Missbrauch an Kindern wird von ganz unterschiedlichen Tätergruppen, auch Frauen, begangen, die alle ihre ganz eigenen Beweggründe haben. Ob Personen, die Kinder sexuell missbrauchen tatsächlich krank sind, hängt davon ab, was wir unter ‚krank‘ verstehen wollen. Es ist mittlerweile hinreichend bekannt, dass Sexualstraftäter*innen in der Regel nicht psychisch krank im medizinischen Sinne sind. Menschen, die Kinder sexuell missbrauchen, sind in der Regel eher ‚erschreckend‘ normal. Verstehen wir ‚krank‘ als ‚nicht normal‘, ‚nicht nachvollziehbar‘, um unsere Bestürzung / Erschütterung auszudrücken, ist das erst mal okay. Dabei müssen wir aber aufpassen, nicht in Schubladen zu denken und nicht zu verharmlosen.
Stellungnahme HUMAN-Team:
Die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Sex wird in Fernsehen, Zeitungen und Internet propagiert. Da könnte man auf die Idee kommen, dass sich manche Menschen angestachelt fühlen, sich zu „nehmen, was sie wollen“. Ganz so einfach ist es aber nicht. Man geht zum Beispiel davon aus, dass der Konsum von Pornografie nicht automatisch sexuell aggressiv macht. Menschen, die sexuell gewalttätig sind, sind jedoch meist auch anderweitig gewalttätig und konsumieren harte Pornografie. Daraus leiten Forscher ab, dass gewalttätige Menschen, die Pornografie konsumieren ihre Gewalt eher sexualisieren.
Problematisch ist auch, dass die Allgegenwart von Sex in Werbung usw. zu einem sexuell aufgeladenen gesellschaftlichen Klima beiträgt. Das kommt Kindern und Jugendlichen also bekannt vor. Da können Täter*innen anknüpfen, ohne, dass das Kindern und Jugendlichen besonders auffällt.
„Es wird verhältnismäßig häufiger gegen schwarze Männer ermittelt als gegen weiße Männer.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Ja. Sehr oft stecken allerdings diskriminierende Motive hinter Verdächtigungen von schwarzen Männern. Bei der Suche nach Täter*innen wird oft der Stereotyp des Mannes und des Fremden zuerst bedient. In den USA füllen diese rassistischen Vorurteile ganze Gefängniskomplexe. Die Fixierung auf Täter und ihre Motive lenkt allerdings oft vom Leiden der Opfer dieser Gewalttaten ab, dennoch werden auch durch viele Falschverdächtigungen (sowie die mediale Ausschlachtung dieser) Leben zerstört. Durch eine stärkere Medienpräsenz werden die gesamten Leben der (falsch) Verdächtigen auseinandergenommen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
„Wer Kinder sexuell missbraucht ist pädophil und krank.“
Stellungnahme HUMAN-Team:
Für viele von uns erscheint es unvorstellbar und wenig nachvollziehbar, wie jemand dazu in der Lage sein kann, ein Kind sexuell zu missbrauchen. Auch in den Medien stolpern wir sehr oft über solche Schlagzeilen. Daher ist es erst mal nachvollziehbar, dass wir Täter*innen als pädophil und krank bezeichnen. Allerdings sind tatsächlich nur wenige Täter*innen, die Kinder sexuell missbrauchen, pädophil. Es ist erwiesen, dass nicht jeder Erwachsene, der sexuellen Kontakt mit Kindern hat, automatisch auch pädophil ist. Wir dürfen außerdem nicht vergessen, dass nicht alle Männer und Frauen, die pädophil sind, ein Kind sexuell missbrauchen (werden). Sexueller Missbrauch an Kindern wird von ganz unterschiedlichen Tätergruppen, auch Frauen, begangen, die alle ihre ganz eigenen Beweggründe haben. Ob Personen, die Kinder sexuell missbrauchen tatsächlich krank sind, hängt davon ab, was wir unter ‚krank‘ verstehen wollen. Es ist mittlerweile hinreichend bekannt, dass Sexualstraftäter*innen in der Regel nicht psychisch krank im medizinischen Sinne sind. Menschen, die Kinder sexuell missbrauchen, sind in der Regel eher ‚erschreckend‘ normal. Verstehen wir ‚krank‘ als ‚nicht normal‘, ‚nicht nachvollziehbar‘, um unsere Bestürzung / Erschütterung auszudrücken, ist das erst mal okay. Dabei müssen wir aber aufpassen, nicht in Schubladen zu denken und nicht zu verharmlosen.
Nach einer anschließenden Reflexion über die Bedeutung unserer ‚blinden Flecken‘ beendeten wir den Workshop mit unseren im Projekt entstandenen Ableitungen und Ideen zu einer gewaltsensiblen Bildsprache.